03.10.2023 | Ein Jahr Nobelpreis

Anton Zeilinger und die fantastische Welt der Quanten

Von A wie Ausnahmetalent bis Z wie Zufall: das Anton Zeilinger-ABC zu einem Jahr Nobelpreis.

Das frühere Ausnahmetalent Anton Zeilinger, seit einem Jahr Nobelpreisträger für Physik, überlässt bei seinen Forschungen gerne einiges dem Zufall. © Jacqueline Godany/IQOQI/ÖAW

Vor einem Jahr wurde der Quantenphysiker und ehemalige Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Anton Zeilinger gemeinsam mit Alain Aspect sowie John F. Clauser mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Die drei Quantenforscher erhielten den größten Wissenschaftspreis der Welt für ihre Experimente mit verschränkten Quantenzuständen, bei denen sich zwei Teilchen wie eine Einheit verhalten, auch wenn sie getrennt sind. Ihre Ergebnisse hätten den Weg für neue, auf Quanteninformation basierende Technologien geebnet, würdigte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm.

Ein A bis Z zu Anton Zeilinger im Reich der Quanten.


A – Ausnahmetalent

Geboren am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis (OÖ), wuchs Anton Zeilinger in einem wissbegierigen Umfeld auf. Das physikalische Ausnahmetalent gilt als Pionier der Übertragung von Quanteninformation zwischen Photonen. Seine Forschungen führten zu neuen Erkenntnissen in der Quantentechnologie und zu einem neuen Verständnis in der Interpretation der Quantenmechanik. 


B – Beam me up!

Im Jahr 1998 gelang erstmals die Übertragung einer Verschränkung zwischen einem Teilchenpaar auf ein anderes Teilchenpaar – ein wissenschaftlicher Durchbruch, auf den bei der Verleihung des Physik-Nobelpreises im Jahr 2022 auch explizit Bezug genommen wurde.


C – Cluster-Photonen

Im Jahr 2005 konnte Zeilinger und sein Team erstmals mit Clustern auf vier Photonen das Prinzip der Quantenverschränkung experimentell in die Tat umsetzen. Ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung eines Quantencomputers.


D – Donau

In einem 2003 veröffentlichten Experiment wurden verschränkte Photonen ohne Leitung quer über die Donau gesandt. Ein Jahr später waren dann Teleportations-Experimente außerhalb des Labors erfolgreich, über einen Abwasserkanal wurden Teilchen vom Wiener Prater auf die Donauinsel „gebeamt“.


E – Einstein

Albert Einstein hatte die Quantenverschränkung, also die quantenmechanische Verbindung zwischen zwei Teilchen auch über große Distanzen hinweg, einst als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet. 2015 widerlegten Zeilingers Experimente endgültig die These, dass Quantenverschränkung doch nur auf Messfehlern beruhe und nicht real sei.


F – Forschungsaufenthalte

In Zeilingers Karriere waren einige Forschungsaufenthalte im Ausland prägend – zum Beispiel am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo er bis 1983 als Associate Professor fungierte. Weitere Stationen und Forschungsaufenthalte führten ihn unter anderem ans Collége de France sowie an die Oxford University.


G – Grundlagenforschung

Für Zeilinger steht seit jeher die Grundlagenforschung im Mittelpunkt. Auf die oft an ihn gerichtete Frage, wozu denn das alles gut sei, antwortete er: „Ich kann Ihnen ganz stolz sagen: Das ist für nichts gut. Das mache ich aus Neugierde.“


H – Hedy Lamarr Teleskop

Das Hedy Lamarr Telescope befindet sich am Dach des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW in Wien. „Damit ehren wir eine große österreichische Erfinderin“, sagte Zeilinger 2014 zur Namensgebung. Hedy Lamarr, die im Zweiten Weltkrieg auf der Seite der Alliierten die Nazis bekämpfte, entwickelte 1940 eine Funkfernsteuerung für Torpedos, die sie zum Patent anmeldete.


I – IQOQI

2003 gründete Zeilinger gemeinsam mit Physikern der Universität Innsbruck um Rainer Blatt, Rudolf Grimm, Peter Zoller und Hans Briegel das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der ÖAW, deren Mitglied er seit 1994 ist. Von 2004 bis 2013 leitete er das Institut in Wien, bevor er zum Präsidenten der ÖAW gewählt wurde.


J – jedes Jahr

Der Nobelpreis für Physik wird seit 1901 jährlich vergeben durch die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften. Der Stifter des Preises, Alfred Nobel, verfügte 1895 in seinem Testament, in der die Vergabe der Auszeichnung geregelt wurde, der Nobelpreis für Physik solle demjenigen zuerkannt werden, „der auf dem Gebiete der Physik die wichtigste Entdeckung oder Erfindung gemacht hat“.


K – Katze

Erwin Schrödinger, einer der Väter der Quantenphysik, schuf mit „Schrödingers Katze“ das bis heute bekannteste quantenphysikalische Gedankenexperiment: die Vorstellung einer in einer Kiste eingeschlossenen Katze, die bis zum Augenblick des Öffnens der Kiste gleichzeitig tot und lebendig ist.


L – Lichtquanten

Zeilinger nutzte Lichtquanten in seinen Experimenten, um die Quantenverschränkung und Quantenkommunikation zu erforschen. Seine Arbeit trug maßgeblich dazu bei, die Anwendung von Quantentechnologien in der Telekommunikation voranzutreiben.


M – Mentor

Zeilinger ist nicht nur ein herausragender Forscher, sondern auch ein engagierter Mentor, der zahlreiche talentierte Physiker:innen ausgebildet hat. Seine Inspiration und Anleitung haben vielen jungen Wissenschaftler:innen den Weg in die Welt der Quantenphysik geebnet.


N – Nobelpreis

Für seine Arbeiten zur Quantenverschränkung erhielt Zeilinger 2022 den Nobelpreis für Physik. Dem ÖAW-Quantenphysiker wurde die Auszeichnung am 10. Dezember in Stockholm vom schwedischen König Carl XVI. Gustaf überreicht.


O – Österreich

Zeilinger ist der vierte österreichische Physik-Nobelpreisträger. Vor ihm erhielt Erwin Schrödinger die begehrte Auszeichnung im Jahr 1933, Victor Franz Hess 1936 und Wolfgang Pauli 1945.


P – Preise

Für seine wissenschaftlichen Durchbrüche erhielt Zeilinger nicht nur den Nobelpreis für Physik, sondern auch zahlreiche weitere nationale wie internationale Auszeichnungen und Ehrungen, darunter der Descartes Preis der Europäischen Kommission und das Große Goldenen Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich.


Q – Qubit

Zeilinger bereitete den Weg für die Entwicklung von Quantencomputern und damit für eine neue Art von Kommunikation. Bei einem Quantencomputer heißt die Speichereinheit Qubit. Ein Qubit kann nicht nur im Zustand 1 oder 0 sein, sondern gleichzeitig im Zustand 1 und 0 und theoretisch in unendlich vielen Zwischenzuständen.


R – Raum und Zeit

Im Widerspruch zu unserem alltäglichen Verständnis von Raum und Zeit steht das ermittelte Verhalten von Quanten. Ein Widerspruch, der Physiker:innen seit über 100 Jahren in ihrer Erkundung der Quantenwelt vorantreibt.


S – Studiert Quantenmechanik!

In einem Interview sagte Zeilinger einmal: „Leuten, die an Esoterik glauben, also an Energiewellen, Wasseradern oder Homöopathie, sage ich: Studiert Quantenmechanik, das ist nicht viel seltsamer, aber im Gegensatz zu euren Behauptungen experimentell bewiesen!"


T – Teamarbeit

Zeilinger legt großen Wert auf Teamarbeit und hat immer mit einem engagierten Team von Wissenschaftler:innen zusammengearbeitet – mittlerweile sind es rund 200 Mitarbeiter:innen, verstreut in der ganzen Welt.


Ü – Übertragung

2005 gelang Zeilinger mit seinem Team die Übertragung von verschränkten Photonen über eine Distanz von 7,8 Kilometern ohne Leitung – von der Kuffner-Sternwarte zum Millenniums-Tower in Wien. Sein Fernziel: die störende Lufthülle für seine Experimente zu verlassen und das ganze Weltall als Labor verwenden zu können.


V – Verschränkung

Die Verschränkung von Quanten, für die Zeilinger den Nobelpreis für Physik erhielt, gilt als eine der seltsamen Eigenschaften von Quantensystemen – und ist experimentell zugleich vielfach nachgewiesen worden: Wird eine Messung an einem der verschränkten Teilchen durchgeführt, wird im selben Moment auch der Zustand des anderen Teilchens festgelegt – unabhängig von der Entfernung.


W – Wissenschaftskommunikation

Die Erkenntnisse aus der Physik möchte Zeilinger auch für Lai:innen verständlich erklären. Durch sein Engagement in der Wissenschaftskommunikation hat er dazu beigetragen, die Bedeutung der Grundlagenforschung in der Öffentlichkeit zu vermitteln.


X & Y – X-Achse und Y-Achse

Für den studierten Mathematiker und Physiker Zeilinger gehört das Denken in mathematischen Welten, wie dem X-Y-Koordinatensystem, zum kleinen Einmaleins. Dass die Mathematik jedem, der näher hinsehe, eine eigene Schönheit offenbare, wurde der Wissenschaftler nicht müde zu betonen.


Z – Zufall

Der Faktor Zufall ist für die Quantenforschung kein Tabu. Im Gegenteil: Seit die Quantenphysik gezielt mit der mit wissenschaftlicher Unvorhersehbarkeit arbeitet, gelingen erstaunliche Durchbrüche. Zeilinger: „Dass es einen reinen Zufall gibt, ist eine der fundamentalsten Erkenntnisse der Quantenphysik.“