29.02.2024 | Ausgezeichnete Forschung

Bessere Computerchips, weniger Müll

Ohne mikroelektronische Chips wäre unsere High-Tech-Welt nicht vorstellbar. Doch heutige Chips sind nicht so robust, wie sie sein könnten. ÖAW-Materialwissenschaftler Sebastian Moser untersucht thermisch bedingte Schäden bei Chips. Seine Forschung soll helfen, zukünftig der Materialermüdung besser entgegen zu wirken. Er promovierte dazu nun „sub auspiciis“.

Thermisch bedingte Metallisierungsschäden bei mikroelektronischen Chips sind eine der häufigsten Ausfallursachen. © Adobe Stock

Sebastian Moser ist Mitglied in einem ganz besonderen Club. Der Materialwissenschaftler, dessen Disseration von Megan Cordill am Erich-Schmid-Institut für Materialwissenschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) betreut wurde, ist an der Montanuniversität Leoben zum Doktor sub auspiciis Praesidentis rei publicae ernannt worden. Lediglich acht anderen AbsolventInnen der Hochschule ist es seit 1840 gelungen, die hohen Anforderungen für diese höchste akademische Auszeichnung der Republik zu erfüllen. Die “sub auspiciis”-Promotion erfordert den Abschluss von Oberstufe, Reifeprüfung, Bachelor-, Master- und Doktoratsstudium mit Auszeichnung.

„Ich hatte stets das Motto, Herausforderungen so gut, wie es mir möglich war, zu bewältigen“, sagt Moser zu seiner Ehrung und erklärt im Interview, warum seine ausgezeichnete Doktorarbeit dazu beitragen könnte, Chips, die etwa in Computern eingesetzt werden, in Zukunft widerstandsfähiger und damit nachhaltiger zu machen.

Computerchips im Härte-Test

Worum geht es in ihrer Dissertation?

Sebastian Moser: Ich habe mikroelektronische Test-Chips und damit verbunden neue Methoden entwickelt, um den Entstehungsprozess thermisch bedingter Schäden in Kupferschichten auf Silizium zu untersuchen. Ganz allgemein sind mikroelektronische Chips aus unterschiedlichen Materialien aufgebaut, um einer elektrischen Funktion zu genügen. Diese Materialien unterscheiden sich jedoch in ihrer thermischen Ausdehnung, so dehnt sich Kupfer etwa sechs Mal mehr aus als Silizium. Im Betrieb können hohe Temperaturen entstehen, wodurch mechanische Spannungen im System aufgebaut werden und es unter fortdauernder Belastung unter Umständen zu Schädigung kommen kann. Meine dahingehend spezialisierten Test-Chips erlauben es, den Materialermüdungsprozess im Detail zu analysieren und auf dieser Basis bessere Kupferbeschichtungen zu entwickeln.

Meine spezialisierten Test-Chips erlauben es, bessere Kupferbeschichtungen zu entwickeln

Wie funktioniert so ein Test-Chip?

Moser: Die mikroelektronischen Chips, die wir als Prozessoren in Computern oder als Schalter in Wechselrichtern kennen, nutzen Transistoren, um elektrische Ströme zu steuern. Meine Test-Chips hingegen haben keine Transistoren, sondern eine Heizschicht, mit der wir exakt gesteuerte Temperaturpulse erzeugen können. Mit eingebauten Sensoren für Temperatur und Leitfähigkeit können wir sowohl die thermischen Belastungsparameter als auch die Auswirkungen des thermischen Stresses auf eine Kupferschicht auf dem Silizium charakterisieren. So können wir die Verhältnisse, denen “echte” Chips in der Praxis im Verlauf ihrer Lebensdauer ausgesetzt sind, exakt rekonstruieren und die Effekte auf die Kupferschicht untersuchen.

Wir können die Verhältnisse, denen “echte” Chips in der Praxis im Verlauf ihrer Lebensdauer ausgesetzt sind, exakt rekonstruieren.

Was ist der Vorteil dieser Methode?

Moser: Wir können mit einem sehr einfachen Aufbau das Verhalten der Materialien in einer zugänglichen Weise und somit sehr effizient untersuchen. Wenn ich das mit einem als kommerzielles Bauteil vorliegenden, also in ein Gehäuse eingebetteten komplexen Chip probiere, wäre das sehr aufwendig. Aufgrund mangelnder Sensoren hätte ich zum einen keinen Zugang zu den thermischen Belastungsparametern, zum anderen müsste ich Materialschädigungen erst zugänglich machen, etwa indem ich das Bauteil zersäge, um diese zu untersuchen. Die Test-Chips erlauben es uns hingegen mittels ihrer Sensoren dem Material sprichwörtlich beim Altern zuzuschauen. Außerdem können wir eine Belastung, die jahrelangem Betrieb in einer Anwendung entspricht, in einem einzigen Tag simulieren. Das erlaubt eine sehr schnelle Charakterisierung der möglichen Auswirkung von thermischem Stress. 

Nachhaltigere Chip-Produktion

Was hat Sie motiviert, dieses Thema für die Dissertation zu wählen?

Moser: Es ist bekannt, dass thermisch bedingte Metallisierungsschäden bei mikroelektronischen Chips für bestimmte Anwendungen eine der häufigsten Ausfallursachen sind. Um das zu verhindern, müssen mögliche Schäden sehr früh und effizient gemessen werden, und zwar ohne, dass wir jeden einzelnen Chip aufwendig zersägen müssen. Das ermöglicht es den Herstellern solcher Chips, bessere und robustere Produkte auf den Markt zu bringen und so zu einer nachhaltigeren Welt beizutragen.

Bessere und robustere Produkte auf den Markt zu bringen, kann zu einer nachhaltigeren Welt beitragen.

Über welche Art von Mikrochips sprechen wir hier?

Moser: Derartige Metallisierungsprobleme treten vor allem bei Chips auf, die hohen elektrischen Leistungen ausgesetzt sind, zum Beispiel in Wechselrichtern oder Transformatoren. Für Logikchips, wie sie zur Datenverarbeitung in Computern eingesetzt werden, ist das weniger ein Problem, weil die Spannungen und Stromstärken und somit zu Wärme führende Verlustleistungen gering sind.

Wie geht es nach der ausgezeichneten Promotion für Sie weiter?

Moser: Ich bin nach wie vor am, zu Infineon Austria gehörenden, KAI Kompetenzzentrum Automobil- und Industrieelektronik tätig, wo die Methoden aus meiner Dissertation jetzt in einem breiteren Feld angewendet wird. Ich bin auch in Kontakt mit Infineon-Ingenieur:innen, mit dem Ziel, möglicherweise stabilere Kupferbeschichtungen zu erproben. Meine Test-Chips werden ebenfalls weiterentwickelt und verwendet, zuletzt auch im Rahmen einer Bachelor- und einer Masterarbeit, die ich an der Montanuniversität Leoben betreut habe. Das Thema meiner Dissertation wird mich also auch in Zukunft begleiten.

 

AUF EINEN BLICK

Sebastian Moser studierte Technische Physik an der TU Wien. Zum Doktoratsstudium kam er an die Montanuniversität Leoben, wo er sich im Bereich Werkstoffwissenschaft spezialisierte. Die Forschungsarbeit erfolgte bei der Firma KAI Kompetenzzentrum Automobil- und Industrieelektronik GmbH, einer in Villach ansässigen Tochterfirma der Infineon Technologies Austria AG. Seitens der Montanuniversität wurde er von Megan J. Cordill vom Erich-Schmid-Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Department Werkstoffwissenschaft betreut. Seine Doktorarbeit widmete sich der Thematik „Ermüdung von Metallisierungsschichten in mikroelektronischen Anwendungen“.