28.09.2023 | Europas Vielfalt

Mehrsprachigkeit ist ein Schatz

Zum Europäischen Tag der Sprachen am 26. September lud die ÖAW Schüler:innen ein, sich bei einer Mitmach-Veranstaltung mit Sprachen, die in Österreich gesprochen werden, sowie ihrer eigenen Mehrsprachigkeit aktiv auseinanderzusetzen.

Bei verschiedenen Stationen konnten Schüler:innen, und auch ÖAW-Präsident Heinz Faßmann, Mehrsprachigkeit hautnah erleben. © ÖAW/Daniel Hinterramskogler

Sechs Schulklassen aus Wien besuchten den „Tag der Mehrsprachigkeit“ in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Die Veranstaltung sollte am Europäischen Tag der Sprachen die sprachliche Vielfalt in Österreich bewusst machen – und auch verdeutlichen, dass Mehrsprachigkeit viele Chancen für das eigene Leben und die Gesellschaft bietet.

Aber wie viele Sprachen gibt es in Europa überhaupt? Diese Frage stellte ÖAW-Mitglied und Osteuropa-Historiker Oliver Jens Schmitt, zugleich Initiator der Veranstaltung, den Schüler:innen. Die Schätzungen gingen weit auseinander, von 100 bis 500 – tatsächlich sind es 225 Sprachen. Und mehr als die Hälfte aller Europäer:innen sprechen eine Fremdsprache, rund 28 Prozent sogar zwei.

Sprachliche Vielfalt in Wien – von Afrikaans bis Ukrainisch

Wie viele Sprachen die Schüler:innen selbst sprechen, führte dann gleich zur ersten von insgesamt sechs Mitmach-Stationen im Hauptgebäude der ÖAW in der Wiener Innenstadt. Die Kinder und Jugendlichen sollten kleine Kügelchen in durchnummerierte Glasröhren werfen, je nachdem, ob sie ein, zwei, drei, vier oder sogar mehr als vier Sprachen, Varietäten oder Dialekte beherrschen. Das spannende Resultat: Mehrsprachigkeit ist in Wien angekommen – das Gefäß für vier Sprachen wurde am meisten befüllt.

Tatsächlich sprechen die Schüler:innen des Gymnasium Augarten, GRG 11 Gottschalkgasse 21 und G11 Geringergasse 2, die anwesend waren, neben Deutsch insgesamt 17 Sprachen. Von Afrikaans über Farsi bis Ukrainisch.

Dass diese Mehrsprachigkeit wichtig und positiv ist, darauf will Schmitt bei dieser Veranstaltung aufmerksam machen. „Wir bemühen uns etwa um Artenvielfalt, missachten diese Vielfalt aber bei der Sprache. Es kommt vielmehr zu einer sprachlichen Verarmung. Wir wollen die Schüler:innen ermutigen, sich ihre Sprachen und kulturelle Vielfalt zu erhalten“, so der Historiker.

Variantenreiches Deutsch

An fünf weiteren Stationen konnten sich die Schüler:innen, aufgeteilt in kleine Gruppen, intensiver mit Sprache auseinandersetzen. Bei der Hörstation „Welche Sprachen kannst du in Wien hören?“ wurden Tonbeispiele von Sprachen, die häufig in Wien zu hören sind, vorgespielt. Die Kinder mussten erraten, welche es sind und erfuhren im Anschluss auch, wo diese Sprache ursprünglich gesprochen werden. Bei der Hörstation „Wie verschieden kann Deutsch klingen?“ ging es hingegen um die verschiedenen Dialekte, die in Österreich, Deutschland und der Schweiz gesprochen werden. Die Schüler:innen hörten unterschiedliche Sprachaufnahmen und versuchten diese auf einer Karte der vermuteten Region zuzuordnen. Die Vielfalt erstaunte einige. So meinte eine Schülerin: „Ich dachte, es gibt nur Wienerisch oder richtiges Deutsch“.

Du oder Sie? Feinheiten der Sprache

„Welche Sprachen machen dich aus?“ - das konnten die Teilnehmer:innen bei einer Zeichenstation kreativ beantworten. Und so wurde es bei den sogenannten Sprachporträts richtig bunt. Da stand ein Hoodie für Albanien, der Rock für Deutsch und die Leggins für Englisch. Auch Landesflaggen zieren die Körpervorlagen, die ausgemalt werden konnten, um auch zu zeigen, wo in ihrem Körper sie die Sprachen, die sie beherrschten oder die eine Bedeutung für sie hatten, ansiedeln würden.

Bei der zweiten Zeichenstation „Wann sprichst du welche Sprache mit wem?“ konnten die Besucher:innen einen eigenen Comic gestalten. Als Vorlage dienten vier Bilder mit Sprechblasen, auf denen sich jeweils zwei Personen unterhalten. Die Schüler:innen sollten Gesprächssituationen herstellen, in denen sich die beiden Personen kennen oder nicht kennen, siezen oder duzen. Im Anschluss wurde lebhaft erörtert, warum es so ist, dass man manche Menschen siezt, dass es mit Respekt oder auch Altersunterschied zu tun haben kann. Und es wurde diskutiert, dass sich das Verhältnis zwischen zwei Personen auch ändern kann, etwa dass Lehrer:innen nach der Matura oftmals ihren Ex-Schüler:innen das Du-Wort anbieten.

Sprachliche Bildung öffnet Türen

Bei der Textstation „Welche Wörter kommen aus anderen Sprachen?“ sollten die Kinder und Jugendlichen an einer Tafel jene Wörter herausfinden, die wir uns aus anderen Sprachen entliehen haben. Dazu gehört beispielsweise Büro (französisch), Kaffee (arabisch) oder Gurke (mittelgriechisch). Das älteste Lehnwort, so die Sprachwissenschaftlerin Agnes Kim vom Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der ÖAW, ist übrigens „Fenster“. „Es kommt vom lateinischen Wort ‚fenestra‘ und ist schon seit dem 8. Jahrhundert im Deutschen belegt. Auch manches Wort aus der Muttersprache der anwesenden Schüler:innen hat übrigens schon Einzug ins Deutsche gehalten.

„Bei dieser Veranstaltung geht es uns auch darum, die eigene sprachliche Kompetenz wertzuschätzen und aufzuzeigen, dass Mehrsprachigkeit viele Möglichkeiten bietet und ein wertvolles Kapital ist“, betont Sprachwissenschaftlerin Agnes Kim. Alexandra Lenz, Direktorin des Austrian Centre für Digital Humanities, ergänzt: „Mehrsprachigkeit ist eine Ressource, sie ist ein Schatz, und diesen Schatz gilt es auch im Bildungsbereich zu stärken und auszubauen.“ Denn, so Oliver Jens Schmitt: „Sprachliche Bildung öffnet neue Türen und verschafft uns einen Einblick in andere Länder und Kulturen. Durch Sprache lernen wir Grenzen zu überwinden, uns für Neues zu öffnen und unsere Mitmenschen - besser - zu verstehen.“

 

AUF EINEN BLICK

Der Tag der Mehrsprachigkeit wurde erstmals an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) veranstaltet. Die inhaltliche Gestaltung hat das Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der ÖAW übernommen. Die Organisation der Veranstaltung erfolgte in Kooperation mit der KinderuniWien.