21.02.2024 | Hate Speech

Was tun gegen Hetzkampagnen im Netz?

Ein Netzwerk aus rechten Medien, Akteuren und Initiativen schürt gezielt Hass im Internet. Welche Muster es dabei zu beobachten gibt, welche Fehler seriöse Medien im Umgang damit machen, und was man tun müsste, um dem entgegenzuwirken, erklärt ÖAW-Kommunikationswissenschaftler Andreas Schulz-Tomančok. Das Thema Hass im Netz stand auch im Mittelpunkt einer Veranstaltung der ÖAW mit dem Nationalrat am 26. Februar im Parlament im Mittelpunkt.

Besonders Journalistinnen, die sich mit den Themen Gendern, Identitätspolitik, Rassismus oder rechte Politik beschäftigen, werden vermehrt zur Zielscheibe von Hass im Netz. © Adobe Stock

Das rechtspopulistische deutsche Portal „Nius“, aber auch der heimische „exxpress“ waren federführend, die renommierte österreichische Journalistin Alexandra Föderl-Schmid als vermeintliche Plagiateurin zu verunglimpfen. Der tragische Fall hat für große öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt, und die Frage aufgeworfen, wie man mit rechter Hetze im Netz umgehen soll. Andreas Schulz-Tomančok ist Experte auf diesem Gebiet. Der Kommunikationswissenschaftler forscht am Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Klagenfurt. Im Gespräch erklärt er, worum es den rechtspopulistischen Akteuren und ihren Netzwerken geht, welche Fehler Qualitätsmedien machen und was es gesamtgesellschaftlich zu tun gäbe.

Wen Hate Speech trifft

Sind Muster erkennbar, wie Rechte Hass im Netz schüren?

Andreas Schulz-Tomančok: Viele Studien beweisen, dass exponierte Personen öfter Ziel von Hetzkampagnen werden. Die Angriffe auf die Journalistin Alexandra Föderl-Schmid haben allerdings ein neues Ausmaß angenommen. Das kannten wir bisher nur von Politiker:innen, die ins Visier rechter Medienmacher:innen und anderen rechtspopulistischen Akteur:innen rückten.

Sind Frauen stärker betroffen?

Schulz-Tomančok: Journalistinnen, die sich etwa mit den Themen Gendern, Identitätspolitik, Rassismus oder eben rechte Politik beschäftigen, werden vermehrt zur Zielscheibe. Nicht unbedingt, weil sie weiblich sind oder eine Migrationsgeschichte haben, sondern, weil sie gezielt diese Themen medial aufbereiten. Hier geht es einerseits darum Frauen aus dem Diskurs auszuschließen und ihre Rollen als integre Journalistin, Expertin oder Politikerin zu diskreditieren als auch generell eher progressive demokratische Vertretungen anzugreifen. Zudem soll ein konservatives Frauenbild durch Hass-Kommunikation verbreitetet werden. „Antigenderismus“, darunter sind gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten zu fassen wie u.a. Sexismus aber auch Homo- und Transphobie sind Themen, die rechtsextreme Akteur:innen weltweit initiiert haben, um hegemoniale heteronormative Weltvorstellungen zu festigen. Die neue Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“, die in Deutschland durchgeführt wurde, zeigt, dass fast jede zweite Person schon online beleidigt wurde. Über 50 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich aus Angst deshalb im Netz seltener an Diskussionen beteiligten und sich zu ihrer politischen Meinung äußern. Genau das ist eines der zentralen Ziele rechter Akteure, dass sich bestimmte Personengruppen aus der Online-Kommunikation zurückziehen und sie den Diskurs bestimmen können.

Hetze im Netz nimmt zu

Hat Hass im Netz zugenommen?

Schulz-Tomančok: Wir sehen einen massiven Anstieg an Hetze im Netz seit der Corona-Pandemie. Die Menschen haben mehr Zeit, sich auf bestimmte Themen zu setzen. Und die rechten Medien sind geschickt darin, eine Out-group zu konstruieren, seien es Eliten, Politiker:innen oder Journalist:innen, die angeblich gegen die Bevölkerung kämpfen. Das bedient immer die gleichen Mechanismen: Die sind gegen euch. Aber wir schützen euch. Wir bringen die wahre Berichterstattung in sogenannten „Alternativmedien“.

Exponierte Personen werden öfter Ziel von Hetzkampagnen. Die Angriffe auf die Journalistin Alexandra Föderl-Schmid haben allerdings ein neues Ausmaß angenommen.

Aber auch kritische Medien übernehmen oft unreflektiert das Wording von rechten Medien. Und mit Clickbait-Journalismus werden Pseudodebatten geführt, bloß um Klicks zu generieren.

Schulz-Tomančok: Das ist absolut richtig. Der transfeindliche Diskurs ist ein gutes Beispiel dafür. Da zeigt sich ein falsches Verständnis von einer journalistischen „Objektivität“. Da gibt es unkommentierte Wiederholungen von problematischen Begriffen aus sogenannten „alternativen“ Medien, die andere Zeitungen reproduzieren. Wir beobachten auch in qualitätsjournalistischen Medien, dass Produktionsprozesse immer prekärer werden, dass mehr unter Zeitdruck gearbeitet wird. Online werden Headlines oft sehr ungünstig zugespitzt. Das befeuert Diskurse, die von Identitären und rechten Parteien gesteuert werden.

Wir sehen einen massiven Anstieg an Hetze im Netz seit der Corona-Pandemie.

Die klassischen Medien sollten also selbstkritischer werden?  

Schulz-Tomančok: Redaktionen müssen sich schützend vor ihre Journalist:innen stellen und moderierend in Online-Diskussionen eingreifen. Einiges wird wegreguliert, aber es bleibt trotzdem viel an Hasssprache stehen. Wir wissen aus der Forschung, dass nur eine kleine Minderheit in den Sozialen Medien kommentiert. Wenn der progressive Teil einer gesellschaftlichen Mitte sich herausnimmt, dann wird der an sich demokratische Prozess des Kommentierens zerstört und das Feld den Rechten überlassen.

Aushöhlung der Demokratie

Wie gefährlich ist das für die Demokratie?

Schulz-Tomančok: Es geht um eine Instabilisierung der Demokratie auf vielen Ebenen. Das Aushöhlen von unabhängigem Journalismus ist ein wesentliches Ziel des Kulturkampfes rechter Parteien und der Neuen Rechten. Gerade im deutschsprachigen Raum sehen wir sehr deutlich, dass sie ein großes Netzwerk aufgebaut haben, von Verlagen bis zu Fernsehsendern.

Es geht um eine Instabilisierung der Demokratie.

Was müsste man tun, um dem entgegenzuwirken?

Schulz-Tomančok: Auf der rechtlichen Ebene eine umfassendere Ahndung von übergriffigen, agitativen und beleidigenden Kommentaren und Direktnachrichten, mehr Förderungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich Hass im Netz widmen und natürlich die entsprechenden Plattformen mehr in die Pflicht zu nehmen. Auf der individuellen Ebene ist ein mehr an Medienkompetenz quer durch die Generationen ein wichtiger Zugang. Die Zivilgesellschaft muss lernen, Solidarität und Zivilcourage im Netz zu entwickeln. Es braucht Anleitungen für User:innen, wie sie sich selbst aber auch andere schützen und unterstützen können. Es geht ja nicht nur um Hass im Netz, sondern auch um Desinformation und Gerüchte, die gestreut werden. Die zentrale Frage ist: Wie informiere ich mich über Themen, ohne Fake-News aufzusitzen?

 

AUF EINEN BLICK

Andreas Schulz-Tomančok  ist Kommunikationswissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Klagenfurt. Er ist zudem Mitglied im Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKG) der ÖAW.