07.07.2023 | Studienstiftungsgespräch

Wie haben Sie das gemacht, Frau Lovrek?

Bei den Studienstiftungsgesprächen der Österreichischen Studienstiftung der ÖAW treffen jungen Menschen auf Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Im Gespräch mit Elisabeth Lovrek, Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, erfuhren sie dabei von einem außergewöhnlichen Karriereweg und vieles aus der Praxis des Richter:innenamtes.

Ein freies Gespräch in offener Runde, wie hier mit Elisabeth Lovrek (li.) - das zeichnet die Studienstiftungsgespräche der Österreichischen Studienstiftung der ÖAW aus. © Joseph Krpelan/ÖAW

Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens können oft auf einen außergewöhnlichen Erfahrungsschatz zurückgreifen - umso spannender wird es, wenn sie diesen mit anderen Menschen teilen. Bei den Studienstiftungsgesprächen der Österreichischen Studienstiftung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) passiert genau das: Geförderte der Studienstiftung treffen in offenen Gesprächsrunden auf bedeutende Menschen in Österreich, tauschen sich mit ihnen aus und lernen aus ihren Erfahrungen. In dieser erfolgreichen Reihe durfte die Studienstiftung nun Elisabeth Lovrek, Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, begrüßen. Das Gespräch sorgte für großes Interesse und bot den Teilnehmer:innen einzigartige Einblicke in eine außergewöhnliche juristische Karriere. 

Nachdem Lovrek 1981 ihre Ausbildung als Richterin begonnen hatte, fungierte sie als Richterin des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, als Richterin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen und im Anschluss als Richterin des Oberlandesgerichts Wien, bis sie 2015 Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs wurde - als erste Hofrätin, die direkt zur Vizepräsidentin des OGH ernannt wurde. Seit 2018 ist Lovrek Präsidentin des Obersten Gerichtshofs – als zweite weibliche Präsidentin dieser Institution.

Eine solche Karriere muss bestimmt durchgeplant sein, wollten Studienstiftler:innen der ÖAW folglich wissen. Die Antwort überrascht, denn eigentlich wollte die Juristin unbedingt Medizin studieren, hatte aber Angst die berüchtigten Physik- und Chemieprüfungen nicht zu schaffen. „Deshalb habe ich mich für die Rechtswissenschaften entschieden und war sehr schnell sehr begeistert davon. Auch wenn der Beruf der Richterin kein Kinderwunschtraum war.“

Sozialkompetenz und Praxisbezug gewünscht

Welche Fähigkeiten sie schon gerne im Studium gelernt hätte, lautete eine weitere Frage. „Mehr Sozialkompetenz,“ antwortete Lovrek sofort. „Das Studium war schon sehr theoretisch.“ Mehr Praxisbezug, wie die Moot Courts, wobei Verhandlungen vor Gericht simuliert werden, findet sie bereichernd. Und könnte sie ein Modul ins Studium einbauen, wäre es ein psychologisches Fach.

Wie ihre täglichen Aufgaben in der Praxis aussehen, interessierte ebenso viele der Maturant:innen und Studierenden, unter denen viele angehende Jurist:innen sind. Die Antwort zeigt, wie breitgefächert das Aufgabengebiet ist. „Rund ein Viertel ist richterliche Arbeit. Ich habe zudem den Vorsitz in einem Senat sowie den Vorsitz des obersten Disziplinargerichts für Richter:innen. Dazu kommt reichlich administrative Arbeit, bei 60 Richterinnen und Richtern sowie vielen anderen Mitarbeiter:innen gibt es viel zu organisieren. Weiters bin ich Ansprechpartnerin und Vertreterin nach außen und der internationale Austausch mit anderen Richter:innen beansprucht auch immer mehr Zeit.“

Aufgabengebiete nicht bekannt

Kennt die Bevölkerung eigentlich die genauen Aufgaben des Obersten Gerichtshofs, war eine weitere Fragestellung im Rahmen des Studienstiftungsgesprächs. Viele nicht, wusste Lovrek aus ihren Begegnungen bei den Tagen der offenen Tür zu berichten. „Auch was Verwaltungsrichter:innen oder Strafrichter:innen sind, ist oft nicht bekannt, manche wissen nicht den Unterschied zwischen Polizist:innen und Richter:innen.“ Auch bei den Aufgaben des Parlamentes oder was die Verfassung ist, gäbe es Bildungslücken, meint Lovrek. Die Richterin versucht folglich, mit Aufklärung entgegenzuwirken.

Fälle, die in Erinnerung geblieben sind

Die Antworten auf die Fragen nach ihren größten oder spannendsten Fällen verfolgten die Geförderten der Studienstiftung mit besonderem Interesse. Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs nannte als Beispiel einen Fall, mit dem sie sich 2002 in zweiter Instanz beschäftigt hat. „Es war einer der größten Zivilprozesse mit einem sagenhaften 1.300 Seiten langen erstinstanzlichem Urteil. Das war nicht nur sehr herausfordernd, das Verfahren war spannend wie ein Spionagefilm.“ Dabei ging es um ehemaliges DDR-Vermögen, eine Stiftung in Liechtenstein und Geld, das in einer Wiener Bank deponiert war.

Auch von lustigen Momenten erzählt sie. Etwa als sie als Richterin des Bezirksgerichts Innere Stadt einen Streit über die Betriebskosten-Abrechnung eines Hauses als Fall vorliegen hatte. „Einer Mieterin, die Besitzerin eines Bordells war, wurde zu hoher Wasserverbrauch vorgeworfen. Vermutet wurde, dass dieser durch den Betrieb von Whirlpools entstanden ist. Also haben wir einen Lokalaugenschein gemacht und es kam vor Ort an der Bartheke zu einem Vergleich.“

Politisch unabhängig

Das Verhältnis Justiz und Politik in Österreich wurde ebenfalls bei dem Studienstiftungsgespräch thematisiert. Lovrek ist überzeugt, dass „die Richter:innen in Österreich sehr unabhängig sind.“ So wisse sie vom Großteil ihrer 60 Richter:innen nicht einmal, wo diese politisch stehen würden und habe noch nie politische Voreingenommenheit gesehen. Zudem habe sie auch noch keine Intervention von Politker:innen erlebt.

Zum Ende des spannenden Studienstiftungsgesprächs wurde nach den nötigen Softsskills für Richter:innen gefragt. „Man muss Menschen mögen. Ihre Sprache sprechen und sich so ausdrücken, dass man verstanden wird,“ erklärt die OGH-Präsidentin. Für viele Menschen sei die Situation vor Gericht zu stehen ohnehin unangenehm. „Deshalb sollte man seriös und höflich sein, erkennen, wie die Situation für den anderen ist, und jedem mit Respekt und Anstand begegnen.“