13.12.2023 | Immobilienmärkte

Zwischen Inflation und öffentlichem Wohnbau

Die Entwicklung der Immobilienmärkte stand im Zentrum einer von der ÖAW mitveranstalteten Tagung in Salzburg. Teilnehmerin Karin Wagner von der Oesterreichischen Nationalbank berichtet über aktuelle Trends und Analysen.

Der öffentliche Wohnbau trägt in Österreich maßgeblich zu einer größeren Preisstabilität am Wohnungsmarkt bei. © AdobeStock

Wie entwickeln sich die regionalen Immobilienmärkte? Dieser Frage widmete sich eine von Stadt- und Regionalforscher:innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Herbst 2023 mitveranstaltete Tagung. Vertreter:innen unterschiedlicher wissenschaftlicher sowie gesellschaftlicher Bereiche diskutierten dabei Aspekte der Preisentwicklung auf Immobilienmärkten sowie die damit verbundenen sozialen Folgeerscheinungen. Eine der Diskutant:innen war Karin Wagner von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Im Interview erklärt sie, warum eine regionale Betrachtung auf die Thematik wichtig ist und weshalb sie derzeit keine Gefahr einer Spekulationsblase am Immobilienmarkt sieht.

Zentrale Säule der Wirtschaft

Was passiert, wenn es große Turbulenzen im Immobilienmarkt gibt, haben wir bei der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 gesehen.

Warum interessiert sich die OeNB für den Immobilienmarkt?

Karin Wagner: Die Entwicklungen am Immobilienmarkt spielen eine wichtige Rolle für die Gesamtwirtschaft und die Finanzmarktstabilität. In den EU-Ländern sind im Schnitt 50 bis 70 Prozent der Vermögen der Privathaushalte in Immobilien gebunden. Entwicklungen am Immobilienmarkt haben Auswirkungen auf die Bilanzen von Banken und Haushalten, die Nachfrage nach Krediten und die Fähigkeit der Kreditnehmer, diese zu bedienen.

Was passiert, wenn es große Turbulenzen im Immobilienmarkt gibt, haben wir bei der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 gesehen, als sich eine solche Krise aus dem Immobilienmarkt in den USA über die ganze Welt ausgebreitet hat. Die Nationalbank hat einen Schwerpunkt in der Analysetätigkeit zum Immobilienmarkt, weil die Bedeutung des Immobilienmarktes so zentral ist. 

Wie hat sich die Situation zuletzt entwickelt?

Wagner: Die Preise für Wohnimmobilien sind in den meisten europäischen Ländern die vergangen zwei Jahre gestiegen, in Österreich waren die Steigerungsraten sogar noch etwas höher als im europäischen Durchschnitt: Sie sind acht Quartale lang um jeweils über 10 Prozent gestiegen. Dieser Trend ist Ende 2022 beendet worden, seither reden wir von einer Stabilisierung. In den vergangenen drei Quartalen sehen wir inflationsbereinigt sogar Preisrückgänge. Für Österreich muss man das aber im Detail analysieren, weil es regional große Unterschiede gibt. Daten zum Gesamtmarkt sind eigentlich vor allem im europäischen beziehungsweise internationalen Vergleich interessant.

Unterschiede zwischen Ost und West

Was charakterisiert den Markt in Österreich?

Wagner: Man muss auf jeden Fall Wohnimmobilien von gewerblichen trennen. Österreich hat im europäischen Vergleich eine sehr niedrige Eigentumsquote. Die regionalen Unterschiede, zum Beispiel zwischen Ost und West, sind beträchtlich. Das Bundesland mit der geringsten Eigentumsquote ist Wien, mit etwa 19 Prozent. Der Spitzenreiter ist das Burgenland mit 79 Prozent.

Unsere Analysten waren ob der starken Preisanstiegen nicht besorgt, weil keine Gefahr für den Finanzmarkt bestanden hat.

Sind die Preissteigerungen der vergangenen Jahre ein Problem?

Wagner: Solche Steigerungsraten klingen vielleicht besorgniserregend, aber die Analysten schauen immer genauer hin. Ob sich eine Blase (Spekulationsblase, Anm.) entwickelt, hängt nicht alleine von der Preisentwicklung ab, sondern auch davon, wie sich die Kreditvergabe entwickelt. Zudem bedeutet eine Preissteigerung von 10 Prozent in einem Quartal nicht, dass alle Immobilien im Land um zehn Prozent teurer werden. Das ist ein Gesamtschnitt der Preise, die in diesem Quartal bezahlt wurden. Die Situation der Käufer in den regional strukturierten Märkten ist aber sehr unterschiedlich. Deshalb brauchen wir den disaggregierten Blick und analysieren die Daten auch auf regionaler Ebene.

Veröffentlicht werden derzeit Daten für Österreich, Wien und Österreich ohne Wien.  Unsere Analysten waren ob der starken Preisanstiegen nicht besorgt, weil keine Gefahr für den Finanzmarkt bestanden hat. Die gestiegenen Zinsen sehen wir ebenfalls nicht als problematisch, weil es hier Möglichkeiten gibt, gegenzusteuern. Vor einem Jahr hatten wir steigende Preise, aber die sonstigen Indikatoren für eine mögliche Blase waren unauffällig.

Eigentumsquote steigt

Der Sozialstaat und der qualitativ hochstehende öffentliche Wohnbau wirken preisdämpfend.

Man hört und liest zuletzt vermehrt, dass es immer schwieriger wird, Immobilieneigentum aufzubauen. Sind das nur Anekdoten?

Wagner: Es stimmt, dass Erbschaften und Schenkungen für Privathaushalte wichtiger werden, wenn es um den Erwerb von Immobilien geht. Wir sehen, dass der Immobilienerwerb schwieriger wird und beobachten das auch wachsam. Wir schauen zum Beispiel, ob sich die Eigentumsquote langfristig ändert. In Österreich ist sie in den vergangenen 50 Jahren von 45 auf 48 Prozent gestiegen. Hierzulande ist es kein soziales Stigma, in Miete zu wohnen. Der Sozialstaat und der qualitativ hochstehende öffentliche Wohnbau wirken preisdämpfend. Wer sich keine Immobilie leisten kann, kann also mieten, wodurch auch die Verschuldungsquote geringer ist als im europäischen Durchschnitt. In Spanien zum Beispiel wohnen rund 80 Prozent der Menschen in Eigentum, da gibt es keinen großen Mietmarkt, der die Kaufpreise dämpft.

In Österreich sehen wir derzeit keinen Grund zur Sorge, auch nicht auf regionaler Ebene. Uns interessieren die Effekte auf Banken, Haushalte und Wirtschaft. Und dort läuft derzeit alles gut.

 

Auf einen Blick

Die Tagung “Stadt, Land, Wohnen - Regionale Wohnungsmärkte zwischen Boom und Krise” fand im November 2023 in Salzburg statt.

Tagungs-Website